Synthe­tisches Diamant­skalpell bei StartUp

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Presse, idw, 1999.04. ➜ Skalpell aus synthetischem Diamant – überlegene Produkt-Persönlichkeit. Beliebig in Geometrie und Größe und scharf bis zum Abwinken. Die Ulmer GFD Gesellschaft für Diamantprodukte mbH unter den 10 Bundesbesten von StartUp.

Zahlreiche Chirurgen machen ihren Schnitt mit Diamanten. Nicht weil es schick wäre, sondern weil es sachdienlich ist. Mit dem Diamantskalpell lassen sich sehr glatte Schnittkanten erzielen und kleine Gewebeareale präzis bearbeiten. Seine Eigenschaften qualifizieren es zum Instrument der Wahl insbesondere für den Mikro- und den ophthalmologischen Chirurgen. Auch in der kosmetischen Chirurgie kann es seine Vorzüge zur Geltung bringen. Wegen der Bedingungen des Schleif- und Polierprozesses sind allerdings nur bestimmte Klingenformen möglich. Und unter Umständen erweist sich die Transparenz der Klinge aus Naturdiamant als nachteilig, weil dadurch die Sichtbarkeit im Gewebe herabgesetzt wird. Teuer ist es überdies; die Preise liegen zwischen anderthalb und sechstausend Mark.

Gut also, daß es auch künstlichen Diamant gibt. Der kostet nicht nur weniger als sein naturgezeugter Bruder. Er läßt sich vor allem beliebig formen, ist lichtdicht und muß nicht geschliffen werden. Denn er wird gewachsen, das bedeutet: mittels Plasma-CVD-Verfahren durch atomare Abscheidung auf einem Substrat hergestellt. Heteroepitaktisch heißen diese Diamantschichten, weil sie in ihrer Kristallorientierung dem Substrat – zum Beispiel Silizium – folgen. Die Schichten sind extrem glatt und ausreichend groß. Dr. André Flöter, Mitarbeiter des DaimlerChrysler-Forschungszentrums Ulm, ist es erstmalig gelungen, auf Silizium-Wafern Diamantschichten von 20 Quadratzentimetern zu erzeugen.

Mit Plasma-CVD-gewachsenem Diamant hatte auch Dr. Peter Gluche zu tun, der in der Abteilung Elektronische Bauelemente und Schaltungen der Universität Ulm an der Entwicklung diamantbasierter elektronischer Mikrosensoren für Prozeßsteuerung und Materialprüfung maßgeblich beteiligt war. Aus der Begegnung dieser – jeweils durch mehrere Patente unterstrichenen – Kompetenzen in der Herstellung und Strukturierung heteroepitaktischer Diamantschichten erwuchs eine Produktidee: das Diamantskalpell aus dem synthetischen Pendant des natürlichen Materials.

Schon bald sollte sich zeigen, daß Gluche und Flöter mit ihrem Konzept einen Volltreffer erzielt hatten. Die synthetische Klinge ist dem Skalpell aus natürlichem Diamant in allen maßgeblichen Charakteristiken überlegen. Dank eines neuen und inzwischen patentierten Verfahrens, Plasmapolierprozeß genannt, lassen sich Klingen aller Formen und Größen erzeugen. Reaktive Ionen, mit hoher Energie auf den Diamant geschleudert, lösen chemische Reaktionen aus und ermöglichen dadurch einen genau definierten Abtrag des Materials. Beliebige Klingengeometrie – »Der Chirurg zeichnet die Klingenform auf, wir produzieren das Skalpell exakt nach dieser Vorgabe« – ist ein anderweitig unerreichbarer Vorzug der Plasmapolitur. Ein weiterer, daß sich extrem dünne Klingen bis hinunter auf 0,05 mm formen lassen, ein Maß, daß noch den Durchmesser eines menschlichen Haares unterschreitet. Und auch die Miniaturisierung der Fläche ist mit 0,25 x 2,00 mm in Extrembereiche vorgedrungen. Bisher unvorstellbare Schärfe charakterisiert die Schneiden der Klingen, die atomar auslaufen können. Diese Schärfungsmöglichkeiten überschreiten das in der operativen Praxis erforderliche Maß, da die Chirurgenhand zur Kontrolle der Schnittführung einen gewissen minimalen Widerstand spüren muß.

Angesichts dieser vielversprechenden, aus der Verbindung von universitärer und industrieller Forschung hervorgegangenen Produkt-Persönlichkeit, deren klinische Tests äußerst erfolgreich verlaufen sind, war eine einschlägige Firmengründung sehr naheliegend: sie nennt sich »GFD Gesellschaft für Diamantprodukte mbH« und hatte einen erfolgreichen Start. Der Markt ist schon jetzt groß. Und er dürfte sich noch vergrößern. Das synthetische Diamantskalpell begünstigt auch die Verwirklichung neuer Operationstechniken, etwa die minimalinvasive Chirurgie der nächsten Generation, deren Instrumente auf Katheter-Dimensionen reduziert sein werden.

Im Existenzgründerwettbewerb »StartUp« 1999 haben Peter Gluche und André Flöter mit ihrer GFD Gesellschaft für Diamantprodukte mbH in einer Konkurrenz von 94 Bewerbern den ersten, mit einem Preisgeld von DM 30.000.- verbundenen Platz in Württemberg belegt. Die Preisverleihung findet am 23. April statt. Zugleich wurden sie – bei einer Gesamtbewerberzahl von 1.700 – für einen der ersten zehn Plätze bundesweit nominiert. Die Entscheidung im Bundesranking wird am 11. Mai in Hamburg verkündet. Der Existenzgründerwettbewerb StartUp wurde 1997 von der Zeitschrift »stern«, dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband und dem Wirtschaftsberatungsunternehmen McKinsey ins Leben gerufen. Schirmherr ist Bundespräsident Roman Herzog. Bereits beim ersten Wettbewerbslauf 1998 war mit der WITec Wissenschaftliche Instrumente und Technologie GmbH eine Firmenausgründung aus der Universität Ulm sehr erfolgreich.

https://idw-online.de/de/news10605Quelle: idw – Informationsdienst Wissenschaft, Peter Pietschmann, 22.04.1999